Fleischkonsum – Über seine Ethik und Notwendigkeit

Fleischkonsum – Über seine Ethik und Notwendigkeit
13. November 2019 Ivana Walden

Mit diesem Beitrag wollen wir ganz bewusst den Bogen etwas „überspannen“ und das Thema Fleischkonsum in den Fokus rücken. Ernährung, und hier ganz besonders die unterschiedlichen Ansichten von Fleischessern und Fleischverweigerern, wird nicht nur am Küchentisch zu Hause, sondern auch in den Medien sehr emotional diskutiert. Wir möchten mit unserem Artikel auf niemanden mit dem Finger zeigen und darstellen, wie „falsch“ er oder sie etwas macht. Wir wollen aber sehr wohl diesen erhobenen Zeigefinger von uns Fleischessern abwenden. Die Frage, die uns nämlich immer wieder gestellt wird, ist, ob Fleischkonsum heute überhaupt noch ethisch vertretbar und notwendig ist. Unsere klare Antwort darauf lautet ja – und das hier sind unsere Hauptargumente.

Fleischkonsum und die Frage unserer „Natur“

Der Streitpunkt, ob Menschen nun auf den Fleischkonsum von Natur aus ausgerichtet sind oder nicht, ist eine, die sich für uns und viele Wissenschaftler nicht (mehr) stellt. Der menschliche Verdauungstrakt ist auf Mischkost ausgelegt, selbst wenn das einige nicht wahrhaben wollen.

Darüber hinaus bestätigen unsere Vorfahren sowie viele indigene Völker diesen Sachverhalt. Der Mensch aß und isst von Natur aus Mischkost. Einen sehr fundierten Beitrag über die physiologischen „Beweise“ dieses Sachverhaltes, haben wir bei Dr. Sarah Ballantyne, der „Paleo Mom“, gefunden.

Sollten wir’s nicht besser wissen?

Ein Argument, das uns immer wieder auf den Tisch gelegt wird, ist jenes, dass wir als Menschen, es „besser wissen“ sollten. Selbst wenn wir von Natur aus Omnivoren sind, haben wir es heute doch nicht mehr nötig, Fleisch zu konsumieren. Wir seien diesem Stadium der Evolution „entwachsen“. Heute könnten wir problemlos ohne tierische Produkte leben. Den paar Defiziten könnten wir durch Nahrungsergänzungsmittel entgegenwirken.

Diese Einstellung erscheint uns teilweise überheblich und teilweise naiv. Heißt das, dass wir jetzt besser wissen, was gut für uns ist, als die Natur selbst, die Millionen von Jahren Evolutions-Erfahrung aufweist? Schließlich sind wir als Menschen heute an diesem Punkt angelangt, weil die Natur eine Kette von richtigen Entscheidungen und Selektionen getroffen hat, oder nicht?

Diese Ansicht des „Besserwissens“ zieht sich nicht nur durch den Ernährungsbereich innerhalb unsere Gesellschaft. Auch in anderen Wissenschaften wird in der einen oder anderen Form die Kompetenz der Natur in Frage gestellt. Der Mensch versucht krampfhaft zu „optimieren“, was geht. Hier denken wir etwa an Genmanipulationen oder den Einsatz von Pestiziden, ohne den weitreichenden Rahmen dieser Handlungen tatsächlich abschätzen zu können.

Nein, wir sind wirklich keine Entwicklungsgegner, aber wir glauben, dass eine Entwicklung gegen die Natur langfristig nur uns selbst schaden wird. Und wir glauben, dass unser Wissen über Zusammenhänge und Kausalitäten auf dieser Erde noch nicht ausreicht, um wirklich qualitative Verbesserungen herbeizuführen.

Ist Fleischkonsum ethisch korrekt?

Das Problem dieser Frage ist nicht ihre Antwort, sondern die Art der Fragestellung selbst. Richtig(er) müsste sie nämlich so lauten: Ist die Art und Weise unseres Wirtschaftens in der Nahrungsmittelindustrie ethisch korrekt?

Der Tod gehört zum Leben dazu. Das ist ein grundlegendes Naturprinzip, nichts lebt ewig. Der Gepard, der den Strauß fängt und tötet, um sich damit am Leben zu erhalten, stellt sich die Ethikfrage nicht – genauso wie viele andere Fleischfresser auch. Leben steckt aber auch in jeder Pflanze. Sollten sich Herbivoren daher nicht dieselbe Frage stellen?

Sehen wir die Tatsache mal ganz pragmatisch: In der Pflanzen- und Tierwelt steht dem Tod niemand gleichgültig gegenüber, deshalb kommt es zu Todeskämpfen hier und zur Entwicklung von Schutzmechanismen gegen Fressfeinde dort. Die Frage der Ethik ist unseres Erachtens an dieser Stelle daher obsolet. Es ist so wie es ist: Fressen und gefressen werden. 

Ganz anders zeigt sich die Sachlage aber, wenn es um die heutige Nahrungsmittelindustrie geht. Massentierhaltung und der meist respekt- und würdelose Umgang mit Tieren und ihrem Fleisch ist ethisch nicht vertretbar. Gleiches gilt allerdings auch für den Anbau von Pflanzen und die Herstellung von nicht-tierischen Lebensmitteln. Bekannte kritische Beispiele sind etwa die Produktion von Palmöl, bei der viele Orang-Utans ihre Lebensgrundlage verlieren oder etwa der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die das massive Bienensterben (mit)verursachen.

Zusätzlich stellt sich die Frage der Ethik auch hinsichtlich des Menschen selbst: Angefangen bei Kinderarbeit, über unmenschliche und gefährlichen Arbeitsbedingungen bis hin zu Zwangsumsiedlungen und ähnliche Praktiken. All das finden wir leider (auch) in der pflanzenbasierten Nahrungsmittelindustrie. Wer stellt sich hier die Frage der Ethik?

Ist vegetarische/vegane Ernährung nicht besser für die Umwelt?

Auch bei dieser Frage scheiden sich die (statistischen) Geister. Es gibt die einen und die anderen Studien. Alle wollen sie zeigen, dass ihr Standpunkt (pro oder contra Fleischproduktion und –konsum) der einzig richtige ist. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Fakt ist, die Natur ist sowohl für Fleisch- als auch für Pflanzenfresser da und geeignet. Nicht überall können pflanzliche Lebensmittel angebaut werden, manche Landstriche sind für die Weidehaltung optimal. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte es keine Schwarzweiß-Malerei geben, wie etwa diese Studie der Tufts University zeigt.

„There is another recent study from Tufts University explaining how a vegan diet is not the most sustainable from a land use perspective. Cropping all of the usable land in order to produce vegetables is simply not an efficient use of space. The study looked at land usage, and again, when we consider that much of the earth’s land surface is not suitable for vegetable production, it’s clear that including animal protein in the human diet is efficient from a land use perspective.“ (Quelle)

Diese Infografik, stellt einige Statistiken (zwar US-basiert, aber immerhin), in einen anderen Kontext. (Das Original findest du hier.)

beef-and-the-earth

Auch der Verbrauch von Rohstoffen (etwa Wasser) und Grundnahrungsmitteln in der Fleischindustrie und Nutztierhaltung wird oft angeprangert. Das Problem, neben der oben bereits erwähnten Massentierhaltung und einem allgemein überhöhten Fleischkonsum in einigen Gesellschaften, ist, dass man zwar die Kosten der Herstellung von einem Kilo Fleisch zu einem Kilo Getreide vergleicht, jedoch die Nährstoffdichte dieser Lebensmittel völlig außer Acht lässt. Wie nahrhaft ist jeweils dieses Kilo Lebensmittel für den Menschen? Was bietet mehr Nährstoffe? Was hält länger satt? Was gibt mehr Energie?  Einer der besten Beiträge, den wir diesbezüglich finden konnten, ist dieser hier, wieder von Dr. Sarah Ballentyne.

Darüber hinaus sind pflanzliche Lebensmittel viel stärker an die jährlichen Naturzyklen und Jahreszeiten gebunden und dadurch größeren Schwankungen in ihrer Verfügbarkeit unterworfen. Das kann besonders in Entwicklungsländern ein massives Problem darstellen.

„The Food and Agriculture Organization of the United Nations says ‘animals can offer several advantages over crops in developing parts of the world’ and goes on to note:

  • Meat and milk can be produced year-round, being less seasonal than cereals, fruit, and vegetables.
  • Animals, particularly small ones, can be slaughtered as the need arises, for food or income.
  • Both milk and meat can be preserved – milk as clarified butter, curd, or cheese; meat by drying, curing, smoking, and salting.“ (Quelle)

Mit Blick auf unsere Umwelt – und der Mensch ist definitiv ein Teil davon – ist der Verzehr von Fleisch und tierischen Produkten nicht abzulehnen. Das Umweltproblem liegt in der Art unseres Wirtschaftens und nicht in der Quelle unserer Nährstoffe.

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Eine Frage, viele Antworten

Wir hoffen, wir konnten dir zeigen, dass die Antwort auf die Frage, ob Fleischkonsum „richtig oder falsch“ ist, erstens eine sehr komplexe und zweitens eine meist falsch gestellt ist. Die Faktoren, die darüber entscheiden, ob etwas ethisch korrekt, nachhaltig, umweltschädlich oder gesund ist, sind so vielfältig, dass sie nicht in einen Blogbeitrag passen. Das Thema füllt ganze Bücher-REGALE!

Falls dich das Thema aber tiefer interessiert, hier eine Liste von Beiträgen zum Start:

Comments (5)

  1. Tony 3 Jahren vor

    Der Ethikteil hat mit Ethik nichts zu tun, weil er nicht willkürfrei ist. Oder mit anderen Worten: in der Natur gibt es keine Moral, daher ist jeder Versuch einer Herleitung aus der Natur Unsinn. (Sein Sollen Fehler/Naturalistischer Fehlschluss). Andernfalls wären konsequenterweise Mord, Vergewaltigung ebenso damit zu rechtfertigen. Denn das ist, neben Fleischkonsum, ebenso Gang und gebe in der Natur.

    Und ob wir es besser wissen als die Natur? Vielleicht die Frage bei der nächsten potentiell tödlichen bakteriellen Entzündung stellen, die mit Antibiotika geheilt werden könnte. Sterben oder „Besserwisserei“? Die Natur hat uns mit einem Gehirn ausgestattet, dass uns als Kultur- von reinen Naturwesen abhebt.

    Fleischkonsum ist in Deutschland 2022 nicht mehr zu rechtfertigen.

    • Autor
      Ivana Walden 3 Jahren vor

      Liebe Tony, danke für deinen Kommentar. Wir lesen heraus, dass du für das Thema brennst und etwas bewegen willst – großartig, wir auch!
      Gleichzeitig tut es uns leid, dass du das, was wir geschrieben haben, aus dem eigentlichen Kontext reißt und in einen ganz anderen – z.B. jenen mit der bakteriellen Entzündung – setzt. Bleiben wir beim Thema Ernährung, muss man dennoch sagen, dass der Mensch ein Naturwesen und auf seinen evolutionären Rucksack angewiesen ist. Das bedeutet nicht, dass wir uns jeglicher moderner wissenschaftlicher Entwicklung entziehen oder gar widersetzen. Wahrlich nicht!
      Die einzige ethische Frage aus unserer Perspektive ist, ob die Art und Weise unseres Wirtschaftens in der Nahrungsmittelindustrie ethisch korrekt ist. Genau so haben wir es oben ja auch formuliert. Daher können wir dir total Recht geben: Fleischkonsum im Jahr 2022 ist nicht mehr zu rechtfertigen, wenn dieses Fleisch aus (Massen-)Tierhaltung und konventioneller Fleischproduktion stammt.

      Ganz liebe Grüße aus Wien,
      Iva & Markus

    • Schreibfauler Bürger 2 Jahren vor

      Omg danke das ich diesen Tect nicht schreiben muss :*

  2. Der Tony hat Recht. Habe das gelesen, da ich eine GFS in der Schule zu dem Thema mache. Die Natur hat den Rindern und anderen Tieren nicht vorgesehen, dass wir sie in inakzeptablen Umständen „gefangen“ halten, um sie dann zu schlachten.
    wir Menschen können uns mittlerweile ohne Probleme mit ein Paar harmlosen Tabletten gesund halten. Bei den wilden Tieren geht das nicht.

    • Autor
      Ivana Walden 2 Jahren vor

      Lieber Robin,
      danke für deinen kritischen Kommentar und wir finden es großartig, dass du dich in der Schule mit diesem Thema befasst.
      Du hast Recht, Tiere in inakzeptablen Umständen zu halten oder gar zu quälen, ist von der Natur nicht vorgesehen. Dass der Mensch ein Allesfresser ist allerdings schon – sonst stünden wir heute nicht da, wo wir als Menschheit stehen. Ethische Aspekte sind selten schwarz/weiß oder einfach zu klären. Sie hängen von vielen, zumeist gesellschaftlichen Faktoren ab.
      Dass ein paar Tabletten jedoch eine gesunde, ausgewogene Mischkost (die wir als Menschen brauchen) zu 100 % ausgleichen kann, stellen wir an dieser Stelle in Frage. Zu oft haben uns die Wissenschaft auf der einen und die Natur auf der anderen Seite schon vor Augen geführt, wie wenig wir eigentlich wissen. Wir sollten, so unsere Meinung, auf ein gesundes Maß und eine wertschätzende Haltung der Natur gegenüber zurückkehren, denn so wie es derzeit ist, ist es definitiv nicht nachhaltig.

      Liebe Grüße
      Iva und Markus Walden

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